Das neue Mindestlohngesetz – Ein Gesetz, viele Fragen!

Für viel Aufsehen in Fachkreisen, Presse und bei allen Betroffenen sorgt das am 16.08.2014 in Kraft getretene Mindestlohngesetz (MiLoG).

Ab dem 01.01.2015 gilt für alle Arbeitnehmer ein gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 € je Zeitstunde.

Diese auf den ersten Blick eindeutige und klare Regelung des § 1 MiLoG wird neben sämtlichen anderen Vorschriften des MiLoG viele Fragen, Probleme und Unsicherheiten aufwerfen, mit denen sich Arbeitgeber, Arbeitnehmer, Juristen und voraussichtlich die Arbeitsgerichte beschäftigen werden (müssen).

In dem folgenden Beitrag sollen die (derzeit bereits absehbaren) Problempunkte kurz dargestellt werden.

Eine ausführliche Darstellung – auch bezüglich der rechtlichen Hintergründe – würde den hiesigen Rahmen sprengen.

Für eine ausführliche Beratung können Sie sich gerne an unsere Kanzlei wenden. Die Rechtsanwälte unserer Kanzlei stehen Ihnen gerne zur Verfügung.

1. Anwendungsbereich
Grundsätzlich gilt das MiLoG für alle Arbeitnehmer, somit bspw. auch für geringfügig Beschäftigte. In § 22 MiLoG werden jedoch einige Gruppen von dem Anwendungsbereich ausgenommen.

So gilt das MiLoG nicht für Minderjährige ohne abgeschlossene Berufsausbildung, Pflichtpraktikanten, freiwillige Orientierungspraktika und freiwillige berufsausbildungs- oder studienbegleitende Praktika, die einen Zeitraum von drei Monaten nicht überschreiten.

Auch auf Auszubildende oder andere Vertragsverhältnisse i.S.d. § 26 BBiG ist das MiLoG nicht anzuwenden, da diese Gruppen keine „Arbeitnehmer“ sind. Duale Studiengänge dürften von der Ausnahmeregelung aber nicht erfasst sein. Auf Personen, die an einer Einstiegsqualifizierung nach § 54a SGB III oder an einer Berufsausbildungsvorbereitung nach §§ 68 bis 70 BBiG teilnehmen findet das MiLoG ebenfalls keine Anwendung.

2. Berechnung und Bestandteile des Mindestlohns
Die Probleme fangen schon bei der Berechnung des Mindestlohns an.

Das MiLoG geht von einem Stundenlohn aus, was letztlich völlig an der Praxis vorbeigeht. Im Normalfall werden Monatslöhne gezahlt. Auch bei variablen Vergütungssystemen wird es daher schon „ganz am Anfang“ zu Unsicherheiten kommen, die mangels gesetzlicher Klarheit letztlich nur von den Gerichten geklärt werden können.

Derzeit wird man davon ausgehen müssen, dass es bei einem Monatslohn auf die Durchschnittsbetrachtung für den maßgeblichen Monat ankommen muss.

Offen lässt das Gesetz zudem, welche Zahlungen des Arbeitgebers als Bestandteile des Mindestlohns einzubeziehen sind.

Aufgrund der Fälligkeitsregel des § 2 MiLoG spricht einiges dafür, lediglich Zahlungen als mindestlohnrelevant anzusehen, die monatlich gezahlt werden. Einmalige Sonderzahlungen (bspw. das 13. Monatsgehalt) werden wohl nur in dem Monat als mindestlohnrelevant anzusehen sein, in dem sie gezahlt werden. Dass das MiLoG den Zweck verfolgt, existenzsichernde Arbeitsbedingungen zu schaffen, spricht ebenfalls für diese Auslegung, da davon ausgegangen werden muss, dass der Arbeitnehmer sein existenzsicherndes Gehalt monatlich benötigt.

Aufbauend auf das AEntG sehen der EuGH und das BAG Zahlungen des Arbeitgebers dann als anrechenbar an, wenn sie als konkrete Gegenleistung des Arbeitgebers für die normale Arbeitsleistung bzw. die Normaltätigkeit des Arbeitnehmers gezahlt werden. Der Gesetzgeber hat sich im Gesetzgebungsverfahren auf den Standpunkt gestellt, dass die Rechtsprechung des EuGH und des BAG zur Entsenderichtlinie bzw. zum AEntG bzgl. der Anrechenbarkeit von Zulagen und Zuschlägen auf das MiLoG entsprechend anzuwenden sei.

Nicht anrechenbar werden daher wohl Zuschläge und Zulagen für besondere Arbeitszeiten (Sonn- und Feiertage) sein, es sei denn, diese Arbeitszeiten sind im Arbeitsverhältnis „normal“. Zulagen und Zuschläge für Überstunden dürften anzurechnen sein, wenn nicht zum bsp. ein Tarifvertrag keine derartigen Zuschläge vorsieht, sondern diese Überstundentätigkeit als „normal“ ansieht. Halte- und Treueprämien sowie vermögenswirksame Leistungen werden eher nicht anrechenbar sein.

Ob die Arbeitsgerichte dies genauso sehen, bleibt abzuwarten.

Einen enormen gerichtlichen Klärungsbedarf wird es auch hinsichtlich der variablen Vergütungssysteme geben.

Es ist bis zu einer Erklärung anzuraten, darauf zu achten, dass der Arbeitnehmer jeden Monat im Schnitt oberhalb des Mindestlohnes verdient.

3. Ausschluss und Beschränkungen des Mindestlohnanspruches
Enorme praktische Bedeutung wird auch der § 3 MiLoG erhalten.

Danach sind Vereinbarungen, die den Anspruch auf Mindestlohn unterschreiten oder seine Geltendmachung beschränken oder ausschließen, unwirksam. Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer kann auf den entstandenen Anspruch nur durch gerichtlichen Vergleich verzichten; im Übrigen ist ein Verzicht ausgeschlossen. Die Verwirkung des Anspruchs ist ausgeschlossen.

Diese Regelung wird insbesondere hinsichtlich der arbeits- und tarifvertraglichen Ausschlussfristen bedeutsam.

Da Klauseln in Arbeitsverträgen der AGB-Kontrolle unterliegen, wird aufgrund des Verbotes der geltungserhaltenden Reduktion die Unwirksamkeit der kompletten Ausschlussklausel drohen, wenn in der Klausel nicht ganz klar geregelt ist, dass der Anspruch auf den Mindestlohn nicht von der Klausel erfasst wird.

Auch hier werden die Arbeitsgerichte gefordert sein, da § 3 MiLoG ausdrücklich vorsieht, dass die Vereinbarungen nur „insoweit unwirksam“ sind, wie sie Beschränkungen oder Ausschlüssen der Geltendmachung der Ansprüche enthalten. Insoweit könnte der Gesetzestext dafür sprechen, dass in diesem Bereich doch eine geltungserhaltende Reduktion stattfinden muss.

Aus Sicherheitsgründen empfehlen wir jedoch, in Neuverträgen eine Differenzierung in der entsprechenden Klausel vorzunehmen.

Außergerichtliche Vergleiche oder Vereinbarungen, auch bspw. in Aufhebungsverträgen, in denen auf den Mindestlohn verzichtet wird, sind unwirksam.

4. Haftung
Hoch brisant ist zudem die Haftungsvorschrift des § 13 MiLoG.

Dieser verweist auf § 14 AEntG. Danach haftet der Unternehmer (Auftraggeber), der einen anderen Unternehmer mit der Erbringung von Werk- oder Dienstleistungen beauftragt, verschuldensunabhängig wie ein selbstschuldnerischer Bürge für die Verpflichtungen dieses Unternehmers, den Mindestlohn zu zahlen.

Bei fahrlässiger Unkenntnis von der Nichterfüllung der Verpflichtung drohen Bußgelder.

Umstritten und noch nicht gerichtlich geklärt sind die Fragen nach dem persönlichen Anwendungsbereich des § 13 MiLoG, die Regresshaftung in Auftragsketten, Haftungsumfang etc..

In der Fachwelt wird derzeit diskutiert, welche geeigneten Maßnahmen und welche vertraglichen Gestaltungen zur Absicherung ergriffen werden können. Die Vorschläge reichen von Einbehaltung von Vergütungsbestandteilen durch den Auftraggeber zur Absicherung gegen Forderungen nach § 13 MiLoG, Bürgschaften des Auftragnehmers, besonderen Vertragsgestaltungen etc (so auch Schiefer, Köster, Pöttering in DB 2014, 2891, 2893). Rechtssichere Lösungen sind noch nicht in Sicht.

5. Tarifverträge
Grundsätzlich geht der gesetzliche Mindestlohn Tarifverträgen vor, soweit die Tariflöhne des Mindestlohn in Höhe von 8,50 € unterschreiten. Ein Tariflohn unter 8,50 € ist ab dem 01.01.2015 nicht mehr maßgeblich.

§ 24 MiLoG sieht jedoch eine Übergangsregelung vor. Bis zum 31.12.2017 gehen abweichende Regelungen eines Tarifvertrages repräsentativer Tarifvertragsparteien dem Mindestlohn vor, wenn sie für alle unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitgeber mit Sitz im In- oder Ausland sowie deren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbindlich gemacht worden sind. Dies bedeutet, dass der Tarifvertag über das AEntG auch für Arbeitnehmer mit ausländischem Arbeitsvertragsstatut gelten muss. Eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung nach § 5 TVG reicht nicht aus (so Sittard in NZA 2014, 951, 954; a.A. Bayreuther in NZA 2014, 865).

6. Kontrolle durch Zollbehörden
Zuständig für die Kontrolle der Einhaltung des MiLoG sind gem. § 14 MiLoG die Behörden der Zollverwaltung.

Die Fragen nach den Befugnissen der Zollbehörden war schon im Bereich des Gesetzes zur Bekämpfung von Schwarzarbeit höchst umstritten. Daran wird sich nichts ändern. Teilweise werden die Maßnahmen der Behörden als verfassungswidrig angesehen.

Aufgrund dieser weitereichenden rechtlichen Problematik und aufgrund des Umstandes, dass es sich hier in weiten Bereichen um Ermessens- und damit um Einzelfallfragen handelt, wird an dieser Stelle von weiteren Ausführungen abgesehen.

Wenn Sie Fragen zu der Anwendung des MiLoG oder zu den Befugnissen der Zollbehörden haben oder für Ihr Unternehmen oder sich persönlich Beratungsbedarf sehen, können Sie sich gerne mit uns in Verbindung setzen.

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